Glücklichsein ist eine Fähigkeit, eine Kompetenz, die wir lernen können.
Dieses Wissen erhält auch langsam Einzug in Österreichs Schulen. In immer mehr Schulen wird Glück als Freifach angeboten. Vielfach passiert die Glücksvermittlung auch in Form von Projekten oder fließt gleich in mehreren Fächern in den Unterricht ein. Bis das Glück jedoch einen fixen Platz im Lehrplan erhält, ist es noch ein langer Weg. Solange hängt es vom Engagement der LehrerInnen ab, ob Glückskompetenz gelehrt wird. Verena Gallee ist eine dieser engagierten Lehrerinnen, die in ihrer 3. Klasse an der Volksschule Sooß in Niederösterreich, das Glück erlebbar macht. Wie so ein Glücksunterricht aussehen kann, dazu habe ich sie befragt.
Interview mit Verena
Verena, wie bist du dazu gekommen, Glück zu unterrichten?
Ich habe mich spontan für deinen Glückstraining Schnupperworkshop angemeldet, weil ich dachte ein Quäntchen Glück kann ich in meinem Leben gut brauchen. Den Workshop habe ich als durchgängig angenehmes und positives Gespräch erlebt und mir ist klar geworden, dass Glücklichsein eine Fähigkeit ist, die wir erlernen können. In mir ist der Wunsch entstanden, dieses Wissen weiter hinauszutragen. Nachdem ich in einer Volksschule unterrichte, die glücklicherweise den Schwerpunkt Soziales Lernen hat, war es fast eine logische Folge, dass ich mein gerade erlerntes Glücks-Wissen weitergeben möchte. Ich habe einfach gespürt, dass das etwas ist, was weiterverbreitet gehört.
Für viele klingt Glücksunterricht ganz fremd. Brauchen unsere Kinder das überhaupt? Sind Kinder nicht von Natur aus glücklich und zufrieden?
Die Anlage hätten sie, glaub ich, mehr als wir Erwachsene dazu. Ich kann es tatsächlich nicht aus wissenschaftlicher Sicht beantworten. Gleichzeitig ist mein Eindruck, dass durch die Rahmenbedingungen, die die heutige Kindheit umrunden, viel viel verschüttet wird von möglichen Glücksempfindungsmöglichkeiten.
Welche Rahmenbedingungen sind das?
Die veränderten Familiensituationen, der Druck, der generell auch in der Schule auf die Kinder wirkt. Ich weiß nicht, ob die Kinder früher einen leichteren Weg zum Glück hatten, jedoch leicht haben es die Kinder heutzutage nicht, wie ich finde.
Damit wir uns das besser vorstellen können, wie sieht so eine Glücksstunde bei dir aus? Wie baust du das Glück in deinen Unterricht ein?
Zu Beginn des Schuljahres haben wir mit allen Schülern der Schule ein persönliches Glückstagebuch angelegt, in dem jedes Kind persönlich Momente, Erlebnisse des Glücks sammeln kann und in verbalisierter oder zeichnerischer Form, regelmäßig zu Papier bringt. Und ich habe begonnen den Kindern darzustellen, was Glück noch bedeuten kann – abseits von materiellen, vermeintlich glücksbringenden Dingen.
Was kann Glück noch bedeuten?
Vogelgezwitscher, das Gefühl zum Rechenkönig gekürt zu werden, das Lieblingslied im Radio, ein Ausflug mit der ganzen Familie, auf der Bühne zu stehen bei einer Tanzaufführung, Umarmungen, ein Referat erfolgreich hinter sich gebracht zu haben, ein lang ersehnter Ausflug in den Familypark, ein Tor beim Match, ein zugesteckter Liebesbrief, wenn alle Freunde zur Geburtstagsparty kommen können, ein neues Haustier, unterm großen Sternenhimmel stehen, einmal bis Mitternacht aufbleiben dürfen, der erste Marienkäfer im Frühling, eine Aufgabe zu lösen, bei der man sich geplagt hat, ein Regenbogen….
Ich finde es immer wieder faszinierend in wie vielen kleinen Dingen das Glück verborgen ist. Du könntest diese Glückliste bestimmt noch ewig weiterführen. Welche Materialien, außer dem Glückstagebuch, verwendest du sonst noch für deinen Glücksunterricht?
Das von dir empfohlene Buch „Curriculum Schulfach Glückskompetenz: Leitfaden für den Glücksunterricht“* von Carina Mathes, das ich über die Schule ankaufen durfte, ist mir eine gute Basis. Ich entnehme daraus praktische Anregungen, wie Fantasiereisen und etliche Vorlagen zur praktischen Umsetzung. Zusätzlich zu allen guten Vorlagen und ideengebender Inputs über Internet, Bücher, Videos, …. spüre ich vor einer geplanten Glückseinheit in mich hinein, was ich persönlich gerade verbreiten kann und möchte. Vielleicht fällt mir am Vorabend noch eine Videosequenz in die Hände, die mich selbst so begeistert, dass ich das teilen möchte. Ich habe gelernt, dass ich selbst echt und stabil dahinterstehen muss, um es zu vermitteln zu können. Wenn ich mich nicht auf mein Bauchgefühl verlasse, merke ich, dass ich das, was ich im Herzen trage und vermitteln möchte, nicht so rüberbringen kann, wie ich es geplant hätte. Zum Glück habe ich so eine verständnisvolle Chefin, die 100% hinter mir und dem Glück steht, und versteht, wenn ich erkläre, dass es mir an dem Tag gar nicht nach authentischer Glücksvermittlung zumute ist.
Das heißt, authentischer Glücksunterricht hat auch viel mit deinem persönlichen Glück zu tun. Glück zu unterrichten, ohne selbst mit dem eigenen Leben zufrieden zu sein, stelle ich mir schwierig bzw. unauthentisch vor. Was ist dein persönliches Glücksgeheimnis?
Ich glaube die Lehrer müssen selbst danach trachten, sich weiterzuentwickeln. Mit sich selbst auf dem Weg sein und vor allem gerne unterrichten!!!! Ich liebe, was ich tue. Wenn das Feuer weg ist, würde ich mich anders orientieren. Ich empfinde mich bei Gott nicht als Expertin, bin halt einfach auch selbst auf dem Weg und versuche echt zu bleiben. Und ja, immer wieder zweifle ich auch daran, ob ich die richtige Glückswegweiserin bin. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich den Kindern etwas mitgeben kann, was sie sonst vielleicht gar nicht hören würden. Es ist auch eine Verantwortung, die ich wahrnehme.
Was hat sich in deiner Klasse seit der Einführung des Glücksunterrichts verändert?
Ich glaube, dass sich die Sensibilität der Kinder geändert hat, was die kleinen Alltagsglücksmomente anbelangt und hoffe, dass sie mehr von den kleinen Glückssekunden aufnehmen können.
Was macht die Kinder in deiner Klasse glücklich? Welche Glücksmomente habt ihr gesammelt?
Grundsätzlich teilen die Kinder mir ihre Einträge ins Tagebuch nicht mit, ich würde es als Eingriff ins Persönliche empfinden. Aber aus dem, was sie freiwillig teilen, fast alles was mit Tieren zu tun hat und spezielle Erlebnisse in der Urlaubszeit und anderen Ländern und die Geburt eines Kindes in der Familie oder Verwandtschaft.
Welche Glückskompetenz(en) brauchen Kinder, um für ihr Leben gut gerüstet zu sein?
Das Bewusstmachen, was Glück EIGENTLICH bedeutet. Mir kommt vor die Kinder sind heutzutage sehr viel mehr abgelenkt durch Materialismus, Medien, Konsumieren, Berieseln lassen, auf der Suche nach Spaß jeglicher Form – vorgelebt durch die Eltern. Das Verschüttet so viel Wertvolles. Sie brauchen ein Bewusstmachen, worum geht’s wirklich im Leben. Die Eltern besprechen oder vermitteln das kaum bis gar nicht. Die Kinder leben in eine Oberflächlichkeit hinein, hinterfragen nichts und ihre Werte sind meist auf materielle Dingen aufgebaut.
Wenn ich mit VolksschullehrerInnen über Glücksunterricht spreche, höre ich oft folgendes Gegenargument: „Ich würde ja gerne Glück unterrichten, aber der vorgegebene Lehrplan ist so straff. Damit komme ich jetzt schon kaum durch. Ich weiß nicht, wie ich da auch noch zusätzlich Zeit für Glücksunterricht finden soll.“ Wie schaffst du das?
Ich habe mit meiner Chefin einfach tatsächlich Glück! 😊 Sie ist eine einzigartige Direktorin, der es ebenfalls ein Herzensanliegen ist, den Kindern ein Rüstzeug fürs Leben mitzugeben, abseits 1×1 und Groß und Kleinschreibung. Es versteht sich von selbst, dass der Lehrplan nicht zu kurz kommen darf. Auch haben wir bei der Überprüfung der Bildungsstandarts über dem Österreich–Durchschnitt abgeschnitten. Gleichzeitig habe ich in der Woche 15-20 Minuten, in denen ich mit allen Kindern der Schule eine Glückseinheit gestalte. Meiner Meinung nach ist das eine Frage des eigenen inneren Brennens für die Sache. Ich empfinde den Lehrplan tatsächlich vollgepackt, gleichzeitig nehme ich mir die Freiheit einfach das zu vermitteln, was mir am Herzen liegt. Außerdem kann ich doch im Rahmen von jeglichen Unterrichtsstunden Glück oder Herzensbildung einbauen, wenn ich das will. Ich treffe letztlich die Inhaltsauswahl an Lesegeschichten, Klassenlektüre, Liedern, Klärungsgesprächen von aktuell schwierigen Situationen zwischen Schülern, Vorgetragenes beim Schulschlussfest mit den Eltern,… in all diesen Momenten, ist es meine Entscheidung, wie und welchen Weg ich wähle, was ich oft zwischen den Zeilen bewusst einstreue und mitgebe, abseits von Formeln und Rechtschreibregeln.
Wie soll Schule sein, damit sie unseren Kindern einen Raum zum Glücklichsein und glücklich lernen bietet?
Weniger Druck aufbauen!!! Weniger Überprüfungen. Die auf uns zu kommenden Verschärfungen der Austestungen erzeugen das Gegenteil von frei lassen, und nur wer keinen Druck spürt kann sich entfalten, sich etwas zutrauen, sich entwickeln, Glück zulassen und erspüren. Möglichst viele Freiheiten lassen, was die Lernformen anbelangt bzw. Abwechslung bieten und viel Lachen – Spaß! Ohne Freude wird nicht viel hängenbleiben, quasi. Es ist ja belegt und auch irgendwie logisch, dass der Mensch emotional berührt werden muss, damit ein Lernerfolg messbar ist!
Zur Person: Verena Gallée, 42 Jahre, ist seit 5 Jahren Volksschullehrerin in NÖ und alleinerziehende Mutter eines Sohnes. Privat singt sie in einem Vokalensemble, fährt ihre Lieblingsmusik hörend mit dem Auto ins Blaue und isst gerne Sachertorte mit Schlag 😊
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